Bioenergiedorf – Das Nahwärmenetz zum Greifen nah

Eine überdurchschnittlich gute Resonanz der Fragebogenaktion, eine motivierte Initiativgruppe – das seit einigen Monaten diskutierte Nahwärmenetz in Inneringen ist zum Greifen nah.

„112 positive Rückmeldungen und fünf, die sich in den nächsten Tagen entscheiden wollen – darauf lässt sich aufbauen“ stellte Jörg Dürr-Pucher vom Büro Clean-Energy fest, als er die stattliche Anzahl von Interessenten zur zweiten Informationsveranstaltung zum Bioenergiedorf Inneringen in der Adlerstube begrüßte. Bürgermeisterin Dagmar Kuster hatte zuvor in ihren einleitenden Worten darauf hingewiesen, dass die Stadt Hettingen das Vorhaben mitträgt und unterstützt – beispielsweise dadurch, dass die städtischen Gebäude ebenfalls ans Netz angeschlossen werden sollen.

 

 

Für die grünen Gebäude wurde  Interesse angemeldet, die roten haben abgelehnt. Für die nicht farbig dargestellten Gebäude liegen noch keine Rückmeldungen vor. Die Gebäudeeigentümer werden gebeten, sich schnellstmöglich zu äußern – sowohl eine Zu- wie auch eine verbindliche Absage sind wichtig, um die Netzplanung vorantreiben zu können.

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Bei anderen vergleichbaren Bioenergiedörfern wie Völlkofen oder Ebenweiler war die Zahl positiver Rückmeldungen zu diesem Zeitpunkt zum Teil deutlich geringer, hinzu kommt, dass der gemeldete Wärmebedarf pro Gebäude höher ist als in anderen Fällen – “ hier machen sich die stattlichen Gebäude im Dorf mit entsprechend größeren Räumen bemerkbar“, so Dürr-Pucher. Er führte noch einmal die Vorteile ins Feld, die ein Anschluss ans Nahwärmenetz mit sich bringen: Ersatzinvestitionen für Ölbrenner oder Holzkessel entfallen ebenso wie laufende Kosten wie der Schornsteinfeger. Wo bisher Heizöltanks und Heizungsanlagen Kellerräume belegen, können diese künftig anderweitig genutzt werden und schließlich erfahren Gebäude eine nachhaltige Wertsteigerung. Bei einer irgendwann anstehenden Veräußerung von Gebäuden dürfte diese ebenso kostengünstige wie umweltfreundliche Heizmethode für viele Hausinteressenten ein wichtiges Kaufargument sein. 

Ingenieurin Ulrike Lorinser ging auf den technischen Teil des Vorhabens ein. Rund 4.400 Kilowattstunden Wärme benötigen die Gebäude, für die positive Rückmeldungen eingegangen sind. Nachdem nicht wenige Gebäude auch künftig teilweise mit Holz beheizt werden sollen, wird mit einem über das Netz zu deckenden Wärmebedarf von 2.500 kWh gerechnet. Um diese Wärmemenge zu erzeugen wird eine Heizleistung von rund 1.300 kW benötigt, davon können die Blockheizkraftwerke in der örtlichen Biogasanlage knapp die Hälfte liefern. Der Rest, der vor allem in der Spitzenlast benötigt wird, soll über eine oder mehrere Holzhackschnitzelheizanlagen beigesteuert werden. „Darin liegt insbesondere auch für die vielen privaten Waldbesitzer im Ort eine Chance: Sie könne das Holz aus ihren Wäldern an den Netzbetreiber verkaufen und somit doppelt profitieren“ machte Dürr-Pucher deutlich. 


Die Frage, wer Träger und Betreiber des Nahwärmenetzes sein soll, hat die Initiativgruppe in den vergangenen Wochen ebenfalls diskutiert und einen Vorschlag gemacht: So wie früher die örtliche Molke oder die Gefrieranlage von einer Genossenschaft getragen wurden, so soll auch dieses Gemeinschaftprojektin dieser örtlich verankerten Rechtsform realisiert werden. Holger Bohner hatte sich beim Genossenschaftsverband informiert und konnte detailliert berichten, wie eine solche Energiegenossenschaft aussehen kann. 

Von besonderem Interesse war in diesem Zusammenhang natürlich die Frage der Finanzierung: Wer Wärme beziehen will, mus zwingend Genosse werden und wie auch bei den Genossenschaftsbanken üblich einen Geschäftsanteil kaufen.  Der Preis hierfür wird  – wie bei den Banken auch – eher symbolischen Charakter haben. 

Die Finanzierung der Investitionen (im Raum stehen 2,5 Millionen Euro, die sich durch staatliche Zuschüsse aber noch erheblich reduzieren werden) soll im Wesentlichen über zwei Komponenten erfolgen: Zum einen muss jeder Anschlussnehmer der Genossenschaft ein Pflichtdarlehen gewähren. Dieses Darlehen wird dann mit Sätzen, die über dem liegen, was man aktuell für Geldanlagen bei der Bank erhält verzinst und vollständig zurückbezahlt. Wer mehr als sein Pflichtdarlehen investieren möchte, bekommt noch bessere Konditionen, so dass es sich auch um ein interessantes Investment handelt. Für die Genossenschaft hat dies den Vorteil, dass der Fremdkapitalbedarf reduziert wird und damit auch die Zinslast – ein Bankdarlehen wird immer mehr kosten als ein gut verzinstes Darlehen eines Genossen. Zweite Finanzierungskomponente ist eine jährliche Mindestabnahme, die beispielsweise bei 15.000 kWh liegen könnte – vergleichbar mit 1.500 l Heizöl. Der Arbeitspreis je kWh selbst kann erst dann verbindlich fetsgelegt werden, wenn die Netzstruktur und die Kosten bekannt sind. Anspruch ist es aber, günstiger als Öl oder Pellets zu sein.Für Besitzer von Holzheizungen, die nur einen Teil ihres Wärmebedarfs über das Netz decken wollen – beispielsweise die Brauchwassererwärmung im Sommer oder Spitzen im Winter – soll es „Mini-Verträge“ geben – ohne Mindestabnahme, dafür aber mit einem einmaligen Bereitstellungsentgelt.

Nächster Schritt auf dem Weg zum Ziel soll nun die Gründung der Genossenschaft sein. HIer soll es nach der Urlaubszeit eine weitere Informationsveranstaltung und eine Gründungsversammlung geben. Dann können die Planungen vorangetrieben und die entsprechenden Zuschüsse beantragt werden. Für diese Genossenschaft werden dann Funktionsträger benötigt – für den Vorstand und den Aufsichtsrat. Hier sind alle aufgerufen, sich zu engagieren. 


In der anschließenden Fragerunde wurde insbesondere die Vergleichbarkeit des Arbeitspreises mit dem Ölpreis angesprochen. Zwar liegt der Ölpreis derzeit auf sehr niedrigem Niveau, über einen längeren Zeitraum betrachtet ist aber ein deutlicher Trend nach oben zu erkennen. Auch wenn man aktuell  einen Liter Heizöl für knapp 70 Cent erhält, die Wärmekosten für 10 kWh lassen sich für eine Ölheizung nicht einfach im Verhältnis 1:10 und damit mit 7 Cent  ermitteln. Auch moderne Brennwertkessel mit technischen Wirkunsgraden jenseits der 90%-Marke haben tatsächlich höhere Verluste, speziell bei der Brauchwassererwärmung. Und die Mehrzahl der vorhandenen Ölbrenner dürfte ohnehin nicht in diese High-Tech-Klasse fallen, weshalb mit einem durchschnittlich Abzug von 20-25% beim Wirkungsgrad gerechnet wird. „Und damit wäre ein Nahwärmenetz auch vom Arbeitspreis her auf jeden Fall günstiger“, so Jörg Dürr-Pucher. Der Vergleich mit Pellets fällt in etwa ähnlich aus. „Ein weiterer Vorteil: Sie müssen sich künftig nicht mehr um schwankende Öl- oder Pelletspreise kümmern und sich darüber ärgern, eventuell in einer Hochpreisphase einzukaufen“ machte der Experte deutlich.

Zum Abschluss der Veranstaltung machte Gerhard Sprißler von der Initiativgruppe noch einmal deutlich, dass es sich hierbei um eine einmalige Chance für das Dorf handelt. Während andernorts Stadtwerke oder Unternehmen Wärmenetze betreiben und damit Geld verdienen, bietet die Genossenschaftslösung den Vorteil, dass die Wertschöpfung im Dorf bleibt, insbesondere dann, wenn die Investitionskosten bezahlt sind und die erwirtschaften Erträge dann über AUsschüttungen oder – was geplant ist – durch niedrigere Wärmepreise an die Mitglieder und Kunden weiter zu geben. Er rief dazu auf, Nachbarn und Bekannte darauf anzusprechen, ob sie den Fragebogen abgegeben haben – und gegebenenfalls zu ermuntern, dieses noch nachzuholen. Fragebögen können bei den Mitgliedern der Initiativgruppe oder hilfsweise unter bioenergiedorf@inneringen.de angefordert werden.  

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