Die Hettinger Bürgermeisterin Dagmar Kuster zeigte sich in der jüngsten Gemeinderatssitzung sehr verärgert darüber, dass die Landesbank Kreisparkasse Sigmaringen in beiden Ortsteilen der Gemeinde ihre Filialen schließt. Sie will sich im Auftrag des Gemeinderats bei der Bank dafür einsetzen, dass wenigstens der Geldautomat erhalten bleibt.
Die Bürgermeisterin sagte am Ende der Gemeinderatssitzung: „Ich möchte noch eine Nachricht ansprechen, die mich heute Morgen sehr geschockt hat.“ Sie habe aus der Zeitung erfahren, dass beide Filialen der Kreissparkasse am Ort geschlossen werden. Zwar habe sie in einem Telefonat vor wenigen Wochen gehört, dass es Planungen dazu gebe, aber nicht, dass es die Gemeinde derart treffen könnte.
Sie finde es unfair, dass die Kreissparkasse den Kunden immer empfohlen habe, die Möglichkeit des Onlinebankings zu nutzen. „Das führt zwangsläufig zu einem Rückgang der Frequenz am Schalter“, sagte sie. Auch sei wahrscheinlich bei der Erhebung der Kundenfrequenz nicht berücksichtigt worden, wie viel Kunden am Automaten Geld abheben. Sie sei sehr enttäuscht, sagte die Bürgermeisterin. Sie könne sich auch nicht vorstellen, wie die Kreissparkasse den Kunden Bargeld anliefern wolle. „Das finde ich alles sehr abenteuerlich“, sagte sie.
Kuster hat sich bereits mit dem Neufraer Bürgermeister Reinhard Traub in Verbindung gesetzt, weil auch dort die Filiale geschlossen wird. Sie haben einen Termin nach Ostern mit Michael Hahn, dem Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse, vereinbart.
Gemeinderat stellt sich hinter die Bürgermeisterin
Johann-Walter Wolf forderte Bürgermeisterin Kuster auf, sich bei diesem Termin dafür einzusetzen, dass wenigstens der Geldautomat bestehen bleibe. Sie nahm den Auftrag des Gemeinderats bereitwillig auf. Dies gebe der Forderung mehr Gewicht, wenn das Gremium dahinter stehe, sagte sie.
Im Gemeinderat wurden Befürchtungen ausgesprochen, dass ein weiteres Kreditinstitut seine Filialen schließen könnte. „Wir bemühen uns, die Infrastruktur zu erhalten. Die Schließung der Bankfilialen ist für die Bürger am Ort ein herber Verlust“, sagte Bürgermeisterin Kuster verärgert.
Interview: „Es gibt viele kleine Orte ohne eine Filiale“
Pressesprecherin der Landesbank Silke Mayer im Gespräch mit der SZ
In gleich drei Laucherttal-Gemeinden will die Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen ihre Filialen schließen. SZ-Redakteur Ignaz Stösser sprach darüber mit der Pressesprecherin der Landesbank, Silke Mayer.
Was empfehlen Sie den älteren alleinstehenden Leuten, die den Führerschein abgegeben haben?
Bereits heute gibt es viele kleinere Orte im Geschäftsgebiet ohne eine Filiale vor Ort. Aus dieser Erfahrung heraus wissen wir, dass sich viele unserer Kunden je nach Wunsch in einer Filiale in einem anderen Ort oder zu Hause beraten lassen. Für alle Kunden, die nicht mobil sind, bieten wir neu den Bargeldbringservice an. Kunden, die diesen Service in Anspruch nehmen möchten, wenden sich einfach an ihren Ansprechpartner. Dieses Angebot wird ergänzt um die Möglichkeit, dass unsere Mitarbeiter beleggebundene Überweisungen und Scheckeinreichungen dann gleich mitnehmen oder diese via frankierte Rückumschläge auch künftig schnell und unkompliziert den Weg zur Sparkasse finden.
Hat die Bank Befürchtungen, dass die Kunden jetzt zur Volksbank wechseln könnten, vor allem in Neufra, wo sowieso die meisten bei der Voba sind?
Die Geschäftsvorfallsanalyse hat ergeben, dass bereits heute in den zu schließenden Filialen die Serviceleistung vor Ort kaum noch nachgefragt wurden (zwei, drei Mal pro Stunde) oder die Kunden diese bereits heute in einer unserer Filialen an einem anderen Ort erledigt haben. Im Beratungsbereich sind wir nah an unseren Kunden und werden diese Nähe auch zukünftig halten und sogar noch ausbauen.
Wäre es nicht möglich gewesen, für Hettingen und Inneringen wenigstens eine Filiale zu erhalten?
Bei der Entscheidung über die Standorte wurden die Filialen immer nach einheitlichen Standards und Kriterien bewertet. Diese waren unter anderem die Entfernung zur nächsten Filiale, die Kundenfrequenz, das Kundengeschäftsvolumen und der bauliche Zustand. Diese Kriterien galten für alle Filialen gleich. Bezogen auf Sparkassen-Filialen in Hettingen und in Inneringen kamen annähernd gleichlautende Ergebnisse heraus, die folgerichtig zu einer gleichartigen Entscheidung geführt haben.
Gibt es bei der Landesbank adäquate Stellen für die Mitarbeiter der Filialen, die geschlossen werden?
Alle Mitarbeiter bleiben bei uns beschäftigt und bekommen neue Aufgaben, die Kundenberater wechseln bestenfalls in eine neue Filiale und betreuen von dort aus ihre Kunden weiter.
Kreissparkasse schließt acht Filialen
Verändertes Kundenverhalten erfordert laut Verwaltungsrat Anpassungen – Mitarbeiter behalten ihre Jobs
Die Hohenzollerische Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen (KSK) schließt im Juni knapp ein Drittel ihrer Filialen. Betroffen sind die Standorte in Beuron, Hettingen, Inneringen, Inzigkofen, Neufra, Scheer, an der Bremer Straße in Mengen sowie in Mindersdorf im Landkreis Konstanz. Darüber hinaus schließen die Selbstbedienungsfilialen an der Laizer Straße und im Krankenhaus in Sigmaringen, an der Buchauer Straße in Bad Saulgau und in Rulfingen. Das hat der Verwaltungsrat in einer Sitzung am vergangenen Freitag beschlossen, am gestrigen Montag wurden die betroffenen Mitarbeiter über die Schließungen informiert. Entlassen wird niemand.
„Wir haben uns alle diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte Landrätin Stefanie Bürkle nach der Sitzung bei einem Pressegespräch. Sie ist Vorsitzende des Verwaltungsrats, in dem fünf Mitarbeitervertreter der Sparkasse sowie zehn Vertreter aus Kreistag und Wirtschaft sitzen. Das stark veränderte Kundenverhalten führe aber dazu, dass die betroffenen Filialen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten. „Dort haben wir im Durchschnitt nur noch 2,5 Geschäftsvorfälle pro Stunde“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KSK, Michael Hahn. Der persönliche Service am Schalter werde kaum noch nachgefragt. Überweisungen tätigen, den Kontostand abfragen oder Daueraufträge einrichten: Das machen die meisten Kunden heute via App auf ihrem Smartphone oder beim Onlinebanking am Computer.
Zwischen Nähe und Wachstum
Rund 1,7 Millionen Geschäftsvorfälle zählte die KSK in den Monaten Juni und Juli 2015, davon wurden lediglich acht Prozent am Schalter getätigt. Dabei sei es keineswegs so, dass nur jüngere Kunden die moderne Technik nutzen, sagte Hahn. Inzwischen würden diese Angebote längst generationenübergreifend genutzt. „Wir sind nicht für uns selber da, sondern für unsere Kunden“, sagte Hahn. „Wenn bestimmte Leistungen nicht mehr nachgefragt werden, müssen wir dem Rechnung tragen.“ Eine entsprechende Analyse wurde unter Begleitung des Sparkassenverbands Baden-Württemberg durchgeführt. Dabei wurden alle Filialen nach einheitlichen Kriterien bewertet – es ging unter anderem um die Kundenfrequenz und das Kundengeschäftsvolumen.
„Insgesamt haben wir uns nun ein Jahr lang mit dem Thema beschäftigt“, sagte Bürkle. „Und wir wären alle froh gewesen, wenn wir diese Entscheidung nicht hätten treffen müssen.“ Die sei denn auch „sehr deutlich, aber nicht einstimmig“ ausgefallen. Die Herausforderung habe grundsätzlich darin bestanden, die Nähe zum Kunden aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das Wachstum der KSK im Blick zu behalten. „Wir sind ein eigenständiges Unternehmen“, sagte Hahn. „Wir wollen diese Eigenständigkeit erhalten und unseren Kunden ein starker Partner sein.“ Es sei enorm schwierig, bei den immer größer werdenden Anforderungen allen Ansprüchen gerecht zu werden.
Laut Hahn kann auch in Zukunft ein Großteil der Kunden binnen fünf Minuten mit dem Auto eine Filiale der Kreissparkasse erreichen, die meisten anderen könnten das innerhalb von zehn Minuten schaffen. Noch länger dauere eine Fahrt nur für einige wenige Kunden, etwa die Beuroner.
Die Verringerung der Filialen in der Fläche solle indes keine Auswirkungen auf die Beratungsqualität haben. Die von der Umstrukturierung betroffenen neun Servicemitarbeiter „finden in anderen Filialen neue Aufgaben“, sagte Hahn. Die fünf betroffenen Berater wiederum „nehmen ihre Kunden bestenfalls mit, wenn diese das wünschen“. Auf diese Weise sollen in den sechs Regionaldirektionen der Kreissparkasse größere Teams mit mehr Vermögens- und Firmenkundenberatern entstehen.
Was aus den frei werdenden Immobilien wird, steht noch nicht in allen Fällen fest. In Hettingen, Neufra und Mindersdorf ist die KSK Mieterin, „da laufen die Mietverträge aus“, sagte Hahn. Die übrigen Gebäude würden gegebenenfalls verkauft oder auch vermietet – „je nachdem, was sich anbietet“. Fest steht indes, wann die acht Filialen und vier SB-Filialen geschlossen werden: zwischen dem 9. und 14. Juni. Michael Hahn schließt aus, „dass wir in naher Zukunft noch einmal nachjustieren müssen“. Das Filialnetz sei in seiner neuen Form auf Jahre ausgerichtet.
Sparkassen-Kunden bedauern Filialschließungen
Ein Stück Infrastruktur und Lebensqualität geht vor allem für die Älteren in Hettingen, Inneringen und Neufra verloren
In Hettingen und Inneringen sowie in Neufra wird bedauert, dass die Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen ihre Filialen in den drei Ortschaften schließen will. Mitte Juni soll endgültig Schluss sein. „Zu wenig Kundschaft“, stellt die Direktion der Sparkasse fest.
Elisabeth Fazekas war am Dienstag in der Hettinger Bankfiliale. Sie kann nicht Auto fahren und braucht zum Gehen einen Rollator. Damit ist sie eine von den Leuten, die von der Schließung der Bankfilialen im Laucherttal am meisten betroffen sein werden. Dabei hat sie noch Glück: Ihr Sohn wohnt im gleichen Haus wie sie, und die Töchter unterstützen sie ebenfalls. Dadurch ist sie nicht ganz so schlimm dran. Aber ein Stück Lebensqualität fällt für sie trotzdem weg. Ist der Weg zur Bank doch immer auch ein Stück Abwechslung im Alltag.
Und sie denkt noch an einen weiteren Aspekt: „Ich lebe seit 1956 hier in Hettingen, was früher hier alles war, kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt sie. Jetzt gehe eine Einrichtung nach der anderen, und die jungen Menschen ziehen ebenfalls weg. Das sei eine bedauernswerte Entwicklung. Sie kann sich auch nicht vorstellen, dass die Bank mit der Schließung viele Ausgaben einspart. „Wenn sie die Angestellten alle weiterbeschäftigen wollen, dann müssen sie doch auch deren Gehälter bezahlen“, sagt sie. Von dem Service, Bargeld nach Hause zu liefern, hält sie „gar nichts“.
„Wir sind tief betroffen, ja entsetzt“, sagt auch die Hettinger Bürgermeisterin Dagmar Kuster. „Wir sind ständig bestrebt, die Infrastruktur in unseren Orten zu erhalten, um den ländlichen Raum zu stärken. Aber die Schließung der beiden Filialen ist schon ein Rückschlag.“ Die Bürgermeisterin hätte auch erwartet, dass die Bank sie früher von ihrer Absicht in Kenntnis setzt. Sie hat es am gleichen Tag erfahren wie die betroffenen Mitarbeiter. Betriebswirtschaftlich sei der Schritt nachvollziehbar, meint Kuster, doch eine Teilschließung wäre ihr lieber gewesen. „Da hätten wir wenigstens noch einen Automaten gehabt. Da die Bank die Räume in Hettingen als Mieter nutzt, will die Bürgermeisterin gemeinsam mit ihr über eine Nachnutzung nachdenken. In Inneringen gehören die Räume der Bank selbst.
Der Inneringer Eduard Metzger war ebenfalls überrascht von der Schließung. „Als ich das in der Zeitung gelesen habe, dachte ich, das gibt’s doch nicht“, sagt er. Der frühere Leiter der Volksbankfiliale in Inneringen ist zwar nicht selbst betroffen von der Schließung, da er Volksbank-Kunde ist. Doch er sagt: Die Älteren treffe es am härtesten. Jeder werde alt und gebe irgendwann den Führerschein ab. Er bedauert auch das Wegfallen der sozialen Kontakte für die Älteren. „Der Bargeld- bringdienst kann einen Besuch bei der Bank nicht wettmachen“, sagt er. Das werde dann wahrscheinlich so ablaufen wie beim Apothekenbringdienst: „Hallo, hier ist Ihr Geld und tschüß.“
„Alles was in kleinen Ortschaften wegbricht, ist verlorenes Terrain“, sagt der Neufraer Pastoralreferent Matthias Kopp. Die Schließung sei für den Ort eindeutig ein Verlust, immer mehr infrastrukturelle Einrichtungen würden wegbrechen. Kopp kann sich durchaus vorstellen, dass manche Sparkassenkunden jetzt zur Volksbank wechseln. Auch die Hettingerin Elisabeth Fazekas hat sich schon mit dem Gedanken befasst.
Quelle: Schwäbische Zeitung