Der höchst gelegene Punkt im Kreis

Manfred Bregenzer (rechts) und Ortsvorsteher Eugen Reiser vor der ehemaligen Gaststätte „Albhöhe“, die bis zur Jahrtausendwende geöffnet hatte. (Foto: Wolfgang Lutz)

Der Weiler Pistre ist der höchstgelegene Punkt des Landkreises Biberach. Die Hälfte des Weilers gehört aber zu Inneringen und damit zum  Landkreis Sigmaringen.

Seit 28 Jahren ist Eugen Reiser Ortsvorsteher der zu Langenenslingen gehörenden Gemeinde Ittenhausen mit seinen 224 Einwohnern. Dazu zählen auch die Bürger des kleinen Ortsteils Ensmad und des Weilers Pistre.Aber gerade dieser kleine Weiler hat es in sich, denn er ist zweigeteilt. Das heißt, die Häuser auf der linken Seite in Pistre, wenn man von Riedlingen Richtung Gammertingen fährt, zählen zum Kreis Sigmaringen und zur Gemeinde Inneringen, ein Anwesen auf der gegenüberliegenden Seite „gehört“ zu Eugen Reiser, also ist Teil von Ittenhausen, das einstmals zum Altkreis Saulgau zählte und seit der Kreisreform dem Landkreis Biberach zugeteilt ist.

Durch den Weiler Pistre führt die L 275, die zur Gemarkung des Kreises Biberach zählt und somit durch das „Grenzgebiet“ zwischen den „Hohenzollern“ und den „Württembergern“ verläuft. Für Ortsvorsteher Eugen Reiser bedeutet das, dass derzeit drei Bewohner in seinen Zuständigkeitsbereich fallen und die elf auf der hohenzollerischen Seite zu Inneringen. Für den gestandenen Kommunalpolitiker kein Problem, denn an einer alten Gewohnheit hält er schon während seiner ganzen Amtszeit als Ortsvorsteher fest. Jeden Sonntag hat er sein Rathaus zwischen zehn und elf Uhr geöffnet und die Bürger haben in seiner offenen Sprechstunde die Möglichkeit ihre Anliegen dem Ortsvorsteher vorzutragen.

Woher der Name Pistre stammt, weiß auch Ortsvorsteher Reiser nicht hundertprozentig zu sagen. Ursprünglich sollte es aus dem Französischen stammen, wurde dann aber wieder verworfen und ist nach wie vor nicht sicher zu begründen. Geht man vom Englischen aus, könnte es auch pfeifen heißen, was man verstehen könnte, denn Pistre liegt 793 Meter über dem Meeresspiegel und ist somit die höchste Erhebung im Kreis Biberach. „Viele meinten es sei der Bussen, aber das stimmt nicht, er bringt es nur auf 767 Meter“, so Ortsvorsteher Eugen Reiser. Aber das ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal, das den Weiler Pistre von anderen Dörfern unterscheidet. Durch seine Zweiteilung gingen zum Beispiel bis zur Gemeindereform die Kinder aus Pistre in zwei verschiedene Schulen. Das Wasser wird für den ganzen Ort von der Albwassergruppe 7 aus Zwiefalten bezogen und die Verwaltung in Langenenslingen rechnet für die „Hohenzollern“ ab. Der Schneepflug kommt aus „Württemberg“ und dreht dann auf dem hohenzollerischen Teil wieder um. Kirchlicherseits geht man die gleichen Wege, wie es politisch der Fall ist: Die linke Ortshälfte gehört zur Pfarrgemeinde Inneringen, die rechte zu Ittenhausen.

Etwas Licht in die interessante Geschichte von Pistre bringt bei einem Besuch dann Manfred Bregenzer. dessen Frau und seine Schwiegermutter bis zur Jahrtausendwende eine Wirtschaft, die „Albhöhe“, betrieben. Nach seiner Kenntnis war es eine Familie Sauter, die sich an der Straße ansiedelte. Sie betrieb unter anderem eine Ziegelei und das ganze Anwesen war in vier gleich große Höfe aufgeteilt. Hier heiratete ein Bürger namens Ott ein und „wie in jeder guten Familie“ gab es auch damals schon Streitereien unter den Angehörigen. So baute ein Anwohner sich ein Gfröhner-Haus auf die gegenüberliegende Straßenseite, also auf die württembergische Seite, samt Scheuer. Diese zwei Gebäude nebst den derzeitigen drei Einwohnern sind nunmehr also das „Reich“ von Ortsvorsteher Eugen Reiser.

Hohes Verkehrsaufkommen

Was den verschmitzten Bürger aus Pistre ärgert, ist das enorme Verkehrsaufkommen. „Immerhin haben wir es geschafft, dass es nun eine 60-Kilometer-Beschränkung gibt, an die sich aber viele nicht halten“, so Manfred Bregenzer. Erst vor kurzem hat wieder ein Autofahrer den ganzen Gartenzaun eines Anwesens platt gemacht. Daher werde des Öfteren geblitzt. „Aber die Blitzer selber wissen oft nicht, auf welcher Kreisseite sie stehen.“ Das nützten immer wieder „Opfer“, denn „Hohenzollern“ dürfen anscheinend nicht im „Württembergischen“ oder umgekehrt blitzen. „Aber ich glaube, dass es nicht viel genützt hat, sie haben alle zahlen müssen“, so Manfred Bregenzer. Aber eines beschäftigt den hohenzollerischen Bürger aus Pistre doch: „Bis jetzt hat mir niemand gesagt, wies es zu dem Ortsnamen gekommen ist.“

Für den Ittenhauser Ortsvorsteher Eugen Reiser auch nicht mehr so wichtig. Bei der nächsten Kommunalwahl ist für ihn Schluss. Dann hat er als Ortsvorsteher und Gemeindepolitiker 30 Jahre „auf dem Buckel“. Das reiche, so seine Einschätzung. Er habe sich gern in der Kommunalpolitik engagiert und vielleicht habe er dann in seinem „politischen Ruhestand“ Zeit und Gelegenheit, sich Gedanken über den Namen seines ehemaligen Ortsteils Pistre zu machen: Kommt’s aus dem Französischen oder aus dem Englischen, denn es pfeift auf jeden Fall der Wind auf der Alb.

Quelle: Schwäbische Zeitung

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